Deutschlands Schwächen nach dem Dreißigjährigen Kriege
Ludwig XIV. von Frankreich (1643—1715)
Nach Abschluss des Westfälischen Friedens konnte sich Deutschland nur schwer von dem Elend des furchtbaren Krieges erholen, der seine Kultur vernichtet, seinen Wohlstand gebrochen hatte. Mächtige Feinde bedrohten das erschöpfte Land und suchten dessen Schwäche zu ihrem Vorteil auszubeuten: im Osten fluteten die Scharen raubsüchtiger Türken mit wachsender Gewalt über die deutschen Grenzen; im Westen suchte Ludwig XIV. Mit den Türken im Bunde, durch schnöden Raub deutsches Gebiet für Frankreich zu gewinnen. Dieser ruhm- und ländergierige König führte ein frevelhaft üppiges Leben. In Versailles schuf er mit ungeheuren Kosten einen Fürstensitz, der an Pracht und Glanz nicht seines gleichen hatte. Ein Fest jagte, hier im Schlosse des „Sonnenkönigs“ das andere. Er hatte sich zum unumschränkten Herrscher gemacht, und nachdem Grundsatze „der Staat bin ich“ schaltete er mit übermütiger Willkür in seinem Lande. Um sein Reich zu vergrößern, wollte er die Niederlande und das linke Rheinufer an sich reißen. Er setzte Gerichtshöfe ein, die untersuchen mussten, welche Gebiete einst zu den Landschaften gehört hatten, die ihm in den letzten Friedensschlüssen zugefallen waren. Bald fand man 600 solcher Ortschaften heraus. Ludwig ließ dort Truppen einrücken und erklärte die besetzten Orte als französisches Gebiet. Das ohnmächtige Deutschland wehrte sich nicht. Ja, es sah sogar untätig zu, als Ludwig 1681 mitten im Frieden die Reichsstadt Straßburg raubte. Als dann endlich fast ganz Europa gegen ihn rüstete, gab er den Befehl, die ganze Gegend am Oberrhein und die Pfalz zu verwüsten, damit die feindlichen Heere da selbst keinen Unterhalt fänden. Die deutschen Lande bis nach Stuttgart und Ulm herein wurden durch die Franzosen unter Mélac entsetzlich verwüstet. Mannheim, Heidelberg, Worms, Speyer und 1000 Dörfer wurden in Brand gesteckt, das prächtige Heidelberger Schloss wurde zerstört. Die Plünderer drangen sogar in die Kaisergruft zu Speyer ein, raubten alle Kostbarkeiten und streuten die Gebeine umher.
Die Türkenkriege.
Während so das deutsche Weiten zertrümmert und geknechtet wurde, litt der deutsche Osten schwer unter dem Einfallen der Türken. Die Türken hatten 1453 Konstantinopel, die Hauptstadt des oströmischen Reiches, erobert, im 16.Jahrhundert den größten Teil Ungarns besetzt und kurz nach dem Westfälischen Frieden auch Siebenbürgen erobert. Im Jahre 1683 zogen sie, aufgereizt von Ludwig XIV. und im Bunde mit den empörerischen Ungarn, mit einem Heer von 200000 Mann von Belgrad aus Donau aufwärts und belagerten Wien. Die Türkengefahr schien dem Reiche verhängnisvoll zu werden; denn schon drohte Wien, das von Rüdiger von Starhemberg Helden mutig verteidigt wurde, dem grimmigen Ansturme der Janitscharen zu erliegen. Da nahte im Augenblick der höchsten Not das christliche Entsatzheer unter Führung des tapferen Polenkönigs Johann Sobiesky und brachte dem türkischen Großwesir Kara Mustapha eine vernichtende Niederlage bei. Die Türken wendeten sich zur Flucht und überließen den Siegern eine unermessliche Beute und Tausende von Christensklaven. Nun wendete sich das Reich mit aller Macht gegen die Türken. Ungarn wurde in den nächsten vier Jahren zurückerobert, nach dem Karl von Lothringen den glänzenden Sieg bei Mohács errungen hatte. 1688 entriss der tapfere Kurfürst Max Emanuel von Bayern den Türken das besetzte Belgrad, den Schlüssel der unteren Donau. Die schwerste und entscheidendste Niederlage aber erlitten sie durch Prinz Eugen bei Zenta an der unteren Theiß (1697). Prinz Eugen war ein Spross des Fürstenhauses von Savoyen. Den Gepflogenheiten jener Zeit entsprechend, war er als jüngerer Sohn ursprünglich für den geistlichen Stand bestimmt aber sein fester Wille, Soldat zu werden, besiegte jeden Widerstand. Als Zwanzigjähriger bot er dem König von Frankreich seine Dienste an, wurde jedoch mit Hohn abgewiesen. Umso freundlicher nahm Kaiser Leopold sein Anerbieten auf, und rasch rückte der begabte Offizier von Stufe zu Stufe empor. In den Türkenkriegen fand er Gelegenheit, seine reichen Gaben zu entfalten; Hier bildete er sich zu den großen Feldherren aus und errang eine Reihe glänzender Siege. Auch den Franzosen brachte er im spanischen Erbfolge kriege schwere Niederlagen bei. Seine Zeitgenossen rühmten sein freies, offenes Wesen, seine schlichte bürgerliche Einfachheit, seinen Willen gegen jede Bestellung, und im Volkslied lebt er als „der edle Ritter“ fort. Seine letzte Ruhestätte fand er im Stephansdome zu Wien.
Kurfürst Max Emanuel von Bayern (1679-1726).
Kurfürst Max II. Emanuel war der Enkel Maximilians I. , der am Verlauf des Dreißigjährigen Krieges so lebhaften Anteilnahm. Sein Vater Ferdinand Maria (1651—1679) hatte seinem erschöpften Lande die Segnungen des Friedens erhalten und alle Aufreizungen Frankreichs, den Erwerb der Kaiserkrone anzustreben, in kluger Zurückhaltung abgewiesen. Eifrig war er bedacht, den Wohlstandes Landes zu heben und die Einkünfte des Staates zu mehren. Die so gewonnenen Mittel hatte Ferdinand Maria zum guten Teil dazu verwendet, Kunstwerke zu erwerben und prächtige Bauten in München und dessen Umgebung zu errichten; das Schloss Nymphenburg und die prächtige Theatinerkirche verdanken ihm ihre Entstehung. Dieser Kunstsinn steigerte sich bei seinem hochbegabten Sohne Max Emanuel zu einer Vorliebe für verschwenderische Pracht, für die der französische Hof ein verlockendes Vorbild bot. Zu dieser Prunk liebe gesellte sich der kriegerische Geist, der dem Kurfürsten viel Ruhm erwarb, sein Land aber aufs Neue in schwere und verderbliche Kämpfe verwickeln sollte. Wie sein Großvater, so widmete auch er dem Heerwesen ganz besondere Sorgfalt und so gelang es ihm mit seinen tapferen Bayern in den Türkenkriege nun vergängliche Lorbeeren zu erringen. Schon bei der Entsetzung Wiens (1683) hatte er an Johann Sobieskys Seite mit dem größten Erfolge eingegriffen, in Gemeinschaft mit Prinz Eugen von Savoyen fast ganz Ungarn zurückerobert, bei der Erstürmung von Ofen (1686) in vorderster Reihe gekämpft und gemeinsam mit Karl von Lothringen den Sieg bei Mohács (1687) errungen. Den größten Ruhm aber erwarb sich Max Emanuel durch die Erstürmung der Festung Belgrad (1688)
Max Emanuel führte den Oberbefehl über das 35.000 Mann starke Reichsheer. Nach mehreren erbitterten Angriffen war es ihm trotz heftigsten Widerstandes der an Zahl weit überlegenen Feinde gelungen, die in die Festungsmauern gelegte Bereiche zu besetzen. Mit dem Rufe „Brüder folgt mir nach!“ setzte er in den Graben. Balken wurden als Sturmleitern benutzt. Max Emanuel, obwohl an Gesicht und Schulter verwundet, klomm empor und drang als erster in die Festung ein. Nach zweistündigem hartem Kampfe eroberte „der blaue König“ mit feinen toddesmutigen Bayern die Stadt und pflanzte das Banner der Wittelsbacher auf der Burg auf. Die eroberte Stadt und Festungsfahne von Belgrad wird in der Frauenkirche zu München aufbewahrt, Max Emanuel ritterliche Tapferkeit trug wesentlich zu der Entscheidung bei, wo durch dem Kaiser Leopold I. im Frieden von Karlowitz (1699) neben Ungarn Siebenbürgen und Slavonien und im Frieden von Passarowitz (1718) noch weitere slawische Gebiete zufielen. Aber durch seinen Entschluss, sich im spanischen Erbfolgekriege
Max Emanuel von Bayern an Frankreich anzuschließen, brachte er großes Unglück über sich und sein armes Land. König Karl II., der letzte Habsburger auf dem spanischen Throne, setzte 1698 den sechsjährigen Kurprinzen Joseph Ferdinand von Bayern, einen Enkel seiner Schwester, zum Erben seines Reiches ein. Dadurch entstand eine starke Spannung zwischen den Wittelsbachern und Leopold von Österreich, der gleichfalls Erb Ansprüche erhob. Schon 1691 hatte Max Emanuel seinen Sitz nach Brüssel verlegt, wohin er von König Karl als Statthalter der spanischen Niederlande gerufen wurde und wo er in königlicher Prachtresidierte. Das spanische Erbe schien den Wittelsbachern eine glänzende Zukunft zu sichern. Schon lagen die Schiffe bereit, die den jungen Prinzen sein zukünftiges Erbreich bringen sollten, als er aus unbekannten Ursachen ganz plötzlich verschied. Der in seinen stolzen Hoffnungen so schwer getäuschte Vater konnte sich des Argwohns nicht erwehren, daß der Wiener Hof bei dem Tode des Kurprinzen die Hand im Spiele habe, und hieraus erklärt sich vor allem die Änderung in der Stellung Max Emanuels zum österreichischen Kaiserhause. Nach dem Tode Karl II. von Spanien erhoben Leopold I. für seinen Sohn Karl und Ludwig XIV. für seinen Enkel Philipp von Anjon die Waffen. Auf Frankreichs Seite standen nur die Wittelsbacher, auf Seite des Kaisers alle übrigen deutschen 3 Reichsstände, dazu noch England, Holland, Portugal und Savoyen. 1704 kam es zur Schlacht bei Höchstadt a. D. Heldenmütig kämpften hier die Bayern und der Kurfürst zeigte sich im Glanze seiner vollendeten Kriegskunst aber durch das Ungeschick der Franzosen endete der Kampf mit einem entscheidenden Siege des österreichisch-englischen Herres unter dem Prinzen Eugen und dem Herzog von Marlborough. Max Emanuel musste mit den Trümmern seiner Armee flüchten und wurde vom Kaiser mit der Acht belegt. Bayern wurde als eroberte Provinz behandelt und von den Osterreichern hart bedrückt. Unerschwingliche Kriegssteuern und unerträgliche Einquartierungen lasteten schwer auf Bürgern und Bauern, so dass im Volke immer lauter der Ruf erscholl:„Lieber bayrisch sterben als österreichisch verderben“.
Der Bayerische Befreiungskampf 1705.
Das rücksichtslose Auftreten der Kaiserlichen erfüllte das treu an seinem Fürstenhause hängende Bayern Volk mit tiefem Groll. Dies erging in offene Empörung über, als man bayrische Untertanen in die österreichische Armee einzustellen begann und damit umging, die kurfürstlichen Kinder nach Osterreich wegzuführen. Die niederbayerischen Bauern scharten sich um Xaver Meindl und Sebastian Blinganser: die Oberländer wollten das von den Österreichern besetzte München befreien. In der Weihnacht 1705 sollte der Plan zur Ausführung kommen; allein die Österreicher, die von dem Vorhaben durch Verrat Kenntnis erhielten, schlugen den Ansturm mit Übermacht ab und drängten Die Bauern nach Sendling zurück, wo mehr als 2000 wackere Landleute ihre Bayerntreue mit ihren Bluten besiegelten. Bei diesem Kampfe soll nach der Sage der riesenstarke Schmied von Kochel die Löwenfahne unter Wundern der Tapferkeit verteidigt haben, bis er selbst als der letzte fiel. Ein Wandgemälde an der Sendlinger Kirche und ein Denkmal auf dem Friedhofe halten die Erinnerung an den Todeskampf der tapferen Bauern wach. Die niederbayerischen Kämpfer erlitten bei Aidenbach eine entscheidende Niederlage. Unterdessen wurde der Kampf auch außerhalb Bayerns mit Erbitterung fortgeführt. Ludwig XIV. geriet gegenüber der Übermacht und dem Ansturme kriegsgewandter Gegner in schwere Bedrängnis. Als aber der habsburgische Bewerber um den spanischen Königsthron die österreichischen Lande erbte und 1711 als Karl VI. die Kaiserkrone erhielt, da schlug die Stimmung zugunsten Frankreichs um. Denn man wollte nicht, dass wieder zwei große Reich in einer Hand vereinigt wären. Und so erreichte Ludwig XIV. in den Friedensschlüssen zu Utrecht (1713) und Rastadt (1714), dass Philipp V. Spanien und dessen außer europäische Besitzungen behielt. Nur die Nebenländer (Belgien, Holland, Neapel und Sardinien) fielen an Österreich. England wusste sich die Herrschaft über weite nordamerikanische Gebiete zu sichern und erhielt außerdem das wichtige Gibraltar. Jetzt erst konnte Max Emanuel nach Bayern zurückkehren, wo er trotz des schweren Unglücks, das er durch seine Teilnahme an der spanischen Erbfolge kriege über das Land heraufbeschworen hatte, mit der Begeisterung empfangen wurde. Als Helden, mit dem Degen in der Faust die Schanzen von Belgrad stürmend, stellt ihn das auf dem Promenadeplatz in München errichtete Denkmal dar.
Quelle: S.81 Bayerisches Realienbuch. Bearbeitet von Dr. Hans Reinlein, Oberlehrer in München Realienbuch Nr. 63 171. Bis 180 Gesamt-Auflage. Bielefeld und Leipzig. 1915